Tierische Schicksale sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tierheims in Salzgitter-Bad nichts Neues. Mehrmals wöchentlich werden herrenlose, oft umherirrende Tiere in Salzgitters Stadtgebiet von aufmerksamen Menschen gefunden, gesichert und in die Obhut der Tierschütz gegeben. Doch in den zurückliegenden Wochen häuften sich die Funde, bei denen klar war, dass die Tiere ihren Haltern nicht einfach in einem unachtsamen Moment entwischt sind, sondern bewusst ausgesetzt und zurückgelassen wurden.
Kaum eine Woche vergeht, in der das Tierpflegepersonal des Tierheims Salzgitter keine Fundtiermeldung veröffentlichen muss. Nahezu täglich veröffentlichen die Tierschützer über die Sozialen Netzwerke, dass wieder ein gefundenes Tier im Stadtgebiet aufgegriffen und gesichert wurde. Das ohnehin schon stark ausgelastete Tierheim im Süden der Stadt hat inzwischen ein Platzproblem, um die sichergestellten Vierbeiner unterzubringen. Einigen von ihnen ging es zum Fundzeitpunkt gesundheitlich sehr schlecht, so dass die Unterbringung im Tierheim vermutlich ihre letzte Überlebenschance war.
Für Tierpflegerin Dana Eggeling gehören Fundtiere zur Tagesordnung, die Umstände mancher ausgesetzter Fellnasen jedoch führen auch bei ihr zum Kopfschütteln. „Vor kurzem wurden fünf Ratten in einem Karton gefunden und zu uns gebracht“, erzählt Dana Eggeling. Die possierlichen Tierchen sind glücklicherweise gesund und auf Grund ihres Verhaltens, an den Menschen gewöhnt. „Da die gefundenen Ratten top fit sind, ist der Fall recht eindeutig – die Besitzer hatten keine Freude mehr an ihren Mitbewohnern und haben sie ausgesetzt.“
Ähnlich erging es den japanischen Spitz-Mixen. Brüderchen und Schwesterchen wurden herrenlos auf einem Parkplatz am Salzgittersee gefunden. Sie irrten umher, ehe die Polizei die beiden Vierbeiner sichern und in die Obhut des Tierheims Salzgitter geben konnte. In diesem Fall sind sich Dana Eggeling und ihre Kolleginnen sicher, dass die Halter mit den anspruchsvollen Bedürfnissen dieser Rasse überfordert waren. „Japanische Spitze sind quirlige Hunde, die ausgelastet werden müssen. Sie möchten am liebsten rund um die Uhr beschäftigt werden.“
Kaum ist die eine Fundtiermeldung veröffentlicht worden, klingelt es bereits wieder an der Tür. Zwei junge Männer haben in einer Mülltonne in Lebenstedt zwei Kater gefunden, die dort sprichwörtlich entsorgt wurden. „Solch ein Fall lässt niemanden kalt“, schildert Eggeling. „Wären die Mülltonnen von der Müllabfuhr geleert worden, hätten die beiden Brüder keine Chance gehabt“, so Eggeling. Gesundheitlich sind Ochi und Mochi, die kurz nach ihrer Ankunft in Tierheim so getauft wurden, gesund. Sie müssen jedoch das Geschehene erst einmal verarbeiten und sich an die neue Umgebung gewöhnen. Derzeit verbringen sie ihren Tierheimalltag auf der Quarantänestation.
Im Fall des Jack Russell Terrier Peeves scheint der Grund des Aussetzens eindeutig. Der auf sieben Jahre geschätzte Rüde wurde am Feldrand an der Ludwig-Erhard-Straße in Lebenstedt frei laufend gefunden. Die eingeleiteten tierärztlichen Untersuchungen ergaben kein gutes Bild. Peeves Hinterbeine sind stark verformt und schief gewachsen. Zudem können die Tierpflegerinnen beobachten, dass sich Peeves verhaltensauffällig zeigt. „Er neigt dazu, ohne erkennbaren Grund nach Dingen zu schnappen, die offenbar nur vor seinem geistigen Auge zu sehen sind“, berichtet Eggeling. Für den kleinen Rüden stehen aufwendige Untersuchungen an. „Wir werden bei unserem Peeves ein CT vom Kopf machen müssen, um neue Erkenntnisse zu erlangen“, erzählt die Tierpflegerin. Die cirka 1.000 Euro teure Untersuchung könnte eine Tumorerkrankung des kleinen Terriers erkennbar machen.
Die Tierheimmitarbeiter nehmen sich aller Tiere gleichermaßen an, egal ob Fund- oder Abgabetiere, jedes Tier erhält die notwendige Versorgung. Jedoch bitten sie alle Haustierbesitzer darum, sich bewusst zu machen, was das Aussetzen eines Tieres bedeutet. „Wir kennen die Tiere nicht, kennen ihren Namen und ihre Vorgeschichte nicht“, macht Dana Eggeling deutlich. „Für uns beginnt jedesmal auf´s Neue mühevoll Kleinstarbeit, um herauszufinden, wie sich das jeweilige Tier verhält, was es mag oder nicht mag, welche Situationen Stress verursachen und wie die Charakterzüge sind.“ Das dies viel Zeit in Anspruch nimmt, ist verständlich. Sie appelliert an alle Tierbesitzer: „Wenn ein Haustier schwierig wird, sollte man dem Tier frühzeitig noch eine Chance geben.“ Es ist also wie in einer guten Ehe, in der es Höhen und Tiefen gibt - am Ende rauft man sich zusammen und meistert schwierige Situationen gemeinsam.
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